Bis jetzt haben wir uns eigentlich recht erfolgreich durchs Leben gewurschtelt. Haben uns ein Studium ausgesucht, eine Arbeit gefunden, einen verlässlichen Freundeskreis aufgebaut. Wir fahren auf Urlaub, erleben nette Dinge, führen Beziehungen. Die großen Dramen sind zum Glück nicht passiert, wir hatten eine schöne, freie Jugend voller Möglichkeiten. Manchmal wechseln wir Freund, Job oder Studienrichtung, aber im Großen und Ganzen stehen wir ungefähr da, wo wir mit Mitte zwanzig stehen wollten.
Aber es ist nicht genug. Trotz allem ist da eine immer präsente Unzufriedenheit mit allem, einfach allem. Das Studium? Naaaja, eigentlich hätte eine technische oder wirtschaftliche Ausbildung mehr Sinn gemacht. Die Arbeit? Ja, eh super, aber eigentlich wollten wir doch früher die Welt erobern. Die Zeiten sind vorbei, als man mit 16 stolz verkündete: „Ich werde Musikjournalistin, um eines Tages Bela B. zu interviewen!“ Selbst Bela B. hat seinen Zauber verloren, statt Die Ärzte rund um die Uhr zu hören, reißt man sich sogar dazu hin, das einst so verhasste Radio aufzudrehen. Und die Beziehung? Beinahe schon unheimlich harmonisch. Das kann so eigentlich gar nicht stimmen. Irgendwo muss doch ein Haken sein.
Wir bauen uns Probleme. Beginnen, alles anzuzweifeln und alles scheiße zu finden. Es reicht längst nicht mehr, wir wollen mehr, etwas anderes, vielleicht, aber vielleicht auch nicht, wir wissen es eigentlich gar nicht so genau. Wir können es nicht benennen, was wir eigentlich möchten. Aber wir wollen irgendwas, immer. Nicht aus übermäßigem Ehrgeiz, denn den haben wir schon lange verloren. Jedes kleine Ziel, das wir uns stecken, wird in dem Moment bedeutungslos, in dem wir es erreichen. Absolut wertlos.
Wir relativieren. Das Studium geschafft? Glück gehabt, denn an Wissen und Kompetenz kann’s nicht liegen.
Wir fühlen uns wie Betrüger. Es kann gar nicht sein, dass wir den Job bekommen haben, weil wir ihn verdienen – es gibt tausend andere, die das garantiert besser könnten. Im Grunde können wir jeden Moment auffliegen.
Wir sabotieren uns selbst. Werfen Sand ins eigene Getriebe und werden dabei immer unglücklicher. Gehen keine Risiken mehr ein, trauen uns nicht Neues mehr. Die riesige Auswahl an Möglichkeiten hat uns handlungsunfähig gemacht. Wie gelähmt bewältigen wir den Alltag, ohne ausbrechen zu können
Wir sind unzufrieden. Unser Zustand ähnelt manisch-depressiven Menschen, zwischen Glück und Abgrund, zwischen Zufriedenheit und Selbstzweifeln.
Wir lamentieren. Wir sind ganz großartig darin, über das Leben und die kleinen Ungerechtigkeiten darin zu jammern. Nicht nur wir selbst, auch alle anderen sind „eigentlich auch nicht so super“, sondern nur die Schatten von bewundernswerten Menschen.
Es ist Jammern auf hohem Niveau. Trotzdem macht es traurig.