Wein vs. Lukesch: Partnerlook

Michaela Wein: Wer sich liebt, muss sich gleich anziehen. Ein Statement für den Pärchenlook.

Wenn ich groß bin, werde ich mal so richtig, richtig verliebt sein. Ich werde so verliebt sein, dass ich das Foto meines Liebsten in meiner Geldbörse herumtrage, ihn meiner Familie vorstelle und bei jedem Lächeln von ihm in Gekicher ausbrechen muss. Ich werde eine liebe, nette Freundin sein, ganz ohne cholerische Anfälle und der Angewohnheit, von allem und jedem aus Prinzip genervt zu sein.

Stattdessen werde ich Gefallen finden an den Dingen, die Paare eben so tun: ein Candlelight-Dinner genießen, ohne dem Gegenüber die Gabel in den Brustkorb zu rammen, weil es versucht hat, mich mit verklärtem Blick zu füttern. Jeden Satz des anderen begierig aufsaugen und verinnerlichen, als unentwegt zu denken „Halt doch einfach deine blöde Fresse“. Und für unser erstes gemeinsames Weihnachten werden wir gemeinsam shoppen gehen und uns gleiche Pullover kaufen.

Denn der Pärchenlook ist die perfekte Form einer Beziehung: man erklärt sich dazu bereit, sein Äußeres an das des Partners anzupassen. Man bekennt sich in aller Öffentlichkeit zum jeweils anderen, eine viel weiter gehende Variante als bloßes Händchenhalten. Der Partnerlook symbolisiert tiefste Verbundenheit.

Abgesehen von den praktischen Konsequenzen – man kauft einfach jedes Shirt zweimal und muss sich nicht mehr über die kleidungsspezifischen Vorlieben des Partners aufregen, weil  Einheitslook angesagt ist – vermittelt es ein sicheres, gutes Gefühl, dem anderen derartig verbunden zu sein. Wer braucht Individualität, wenn man einander hat? Wer muss modisch noch am neuesten Stand sein, wenn man doch schon jemanden gefunden hat, der einen liebt, wie man ist? Apropos finden: Wer dasselbe trägt, findet sich in einer Menschenmenge leichter wieder. Die Suche nach dem eigenen Spiegelbild quasi.

In meiner Vorstellung tragen glückliche Pärchen denselben hellgelben Strickpulli, während sie händchenhaltend über eine Blumenwiese schlendern. Ab und zu bleiben sie stehen, um einander in die Augen zu sehen und sich zu sagen, wie sehr sie sich lieben. Die Sonne geht gerade unter, das Dämmerlicht bringt die Farbe der Pullis besonders gut zur Geltung … und ich wache auf, ziehe das  giftgrüne Shirt an weil ich weiß, dass er es peinlich findet, nur um ihn zu ärgern. Aber irgendwann wird alles anders. Dann kaufe auch ich Partner-Pullis. Ganz bestimmt.

Oliver Lukesch: Wer sich liebt, muss sich ausziehen. Ein Statement gegen den Partnerlook.

Wenn ich groß bin, werde ich mal so richtig, richtig verliebt sein. Ich werde so verliebt sein, dass ich meine Herzallerliebste niemals der Gefahr eines Treffens mit meiner Familie aussetze und bei jedem Lächeln von ihr mich zumindest ernsthaft bemühe, meine Mundwinkel den Kampf gegen die Schwerkraft gewinnen zu lassen. Ich werde eine lieber, netter Freund sein und ihre cholerischen Anfälle und sonstigen Angewohnheit mit der Geduld einer heiligen indischen Kuh ertragen.

Stattdessen werde ich Gefallen finden an den Dingen, die Paare eben so tun: ein Candlelight-Dinner genießen und dabei versuchen, sie bei jeder Gelegenheit mit der Gabel zu füttern, einfach weil ich es kann. Jedes Schweigen von ihr begierig aufsaugen und als stille metaphysische Übereinkunft interpretieren. Und unser erstes gemeinsames Weihnachten werden wir abseits von Konsum- und Familienwahn im Bett verbringen und es geflissentlich vermeiden, auch nur in die Nähe eines Fetzenladens zu kommen um dort Pullover im Partnerlook zu kaufen. Zur Not mit Handschellen.?Denn Partnerlook ist die perfekte Form einer Nicht-Beziehung: man erklärt öffentlich und weithin sichtbar, dass man sich innerlich schon weit, sehr weit voneinander entfernt hat und nur noch durch schnöde Äußerlichkeiten Zusammengehörigkeit vermitteln kann. Partnerlook symbolisiert tiefste Verbundenheit seinem eigenen Spielbild gegenüber und ist Masturbation für Machtfetischisten und Selbstverliebte. Von den praktischen Konsequenzen mal abgesehen (Schon mal versucht, das selbe Shirt in Frauen- und Männerausführung zu finden? Der blanke Horror!) –  weshalb muss man das Gleiche anziehen, wenn man doch schon jemanden gefunden hat, der einen liebt, wie man ist? Partnerlook bedeutet Verneinung von Persönlichkeit und vermittelt das sichere Gefühl, dass die entsprechende Beziehung Tod ist oder zumindest schon einigermaßen komisch riecht.

In meiner Vorstellung tragen glückliche Pärchen keinen Fetzen Stoff, während sie händchenhaltend über Blumenwiesen tollen. Ab und zu bleiben sie liegen, um einander ihre Liebe auch auf körperlicher Ebene zu bestätigen. Die Sonne geht gerade unter, die Mücken fangen schon zu stechen an, die gegenseitigen Watschen verleihen der Idylle noch einen zusätzlichen Reiz… und ich wache auf und spaziere splitterfasernackt zum nächsten Fenster, weil ich in Wohnungen für gewöhnlich sowieso nur wenig trage. Und um sie zu ärgern.

Glossen erschienen auf subtext.at und mokant.at.

Fotos: Michaela Wein/Oliver Lukesch