Aufgeblättert: „Der Koch“

Wer schon einmal ein romantisches Abendessen für seinen Liebsten kochen wollte, weiß, dass der Effekt nur selten der erhoffte ist. Von der aphrodisierenden Wirkung so mancher Speisen und Zutaten ist immer wieder die Rede, doch so gut wie nie passiert es, dass das Gegenüber aufgrund des Verzehrs von Spargel mit glasigem Blick über den Koch herfällt.

Essbare Liebe
Diese Zeiten sind vorbei. Martin Suter erzählt  in seinem aktuellen Roman „Der Koch“ von einem ebensolchen, der mittels gefinkelt zubereiteter und arrangierter Speisen seine Gäste in Ekstase versetzt. Da wird selbst eine Lesbe wieder heterosexuell. Und nachdem das Projekt so wunderbar funktioniert und Protagonist Maravan ohnehin seinen aktuellen Job verloren hat, wird daraus eine Geschäftsidee entwickelt.

„Love Food“ funktioniert. Vor allem in höheren Geschäftskreisen, und so bewirtet die einstige Hilfskraft eines Sternelokals bald Größen aus Wirtschaft und Politik. Es ist die schwierige Zeit der weltweiten Finanzkrise, in der Maravan versucht, seiner Familie in Sri Lanka regelmäßig Geld zukommen zu lassen. Da kommt ihm sein neues Projekt gerade recht. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, hat der tamilische Asylwerber das Geschäft doch im Geheimen aufgezogen.

Detailreiche Kulinarik
„Guerilla-Dinner“ boomen derzeit tatsächlich – ob die Wirkung dieselbe ist wie in Suters Roman, ist zu bezweifeln. Der Autor gibt sich in „Der Koch“ langen Beschreibungen der Speisenzubereitung hin, erklärt Zutaten und physikalische Vorgänge. Dabei bleibt leider die Handlung auf der Strecke – die komplizierten Speisen und ihre Zubereitung sind zwar nett zu lesen, aber auf Dauer ermüdend. Erwähnenswerte, wunderschön formulierte Passagen wie in „Lila, Lila“ sucht der Leser vergebens. Suter verliert sich in kulinarischen Details, die zwar beeindruckend sind, jedoch keinen wesentlichen Eindruck hinterlassen.

Lieblose Zubereitung
Ähnlich wie die Dinner Maravans wirkt das Buch: eine Mischung aus unterschiedlichen Themen, die leider nicht so liebevoll verwertet werden wie die Zutaten der Speisen. Wirtschaftskrise, Asylproblematik, Liebesgeschichte – zu viele Faktoren werden behandelt, als dass sich ein durchgehender Handlungsbogen ergeben könnte. Kurz und knapp erzählt Suter die Geschichte, wenn er sich nicht gerade in ausufernden Beschreibungen der Speisenzubereitung verliert.

Wer unbedingt nachkochen möchte, was angeblich so sinnliche Folgen hat, wird auf den letzten Seiten des Buches begeistert sein: Martin Suter gibt die Rezepte für das Liebesdinner seinen Lesern gleich mit dazu. Das Nachkochen von „Minichapatais mit Curryblätter-Zimt-Kokosöl-Essenz“ und „Churaa Varai auf Niavara-Reis mit Mintschaum“ ist freilich eine Herausforderung.

Rezension erschienen auf mokant.at.

Foto: mokant.at/Michaela Wein